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Hahn oder Henne?

von Land schafft Leben

Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Ein Rätsel, das die Menschheit seit langem beschäftigt. Doch es gibt auch eine andere Frage, die bei diesem Thema auftritt: Schlüpft aus dem Ei eine Henne oder ein Hahn? Die männlichen Hühner haben es in der Welt der Nutztiere nämlich nicht immer leicht.

Im Vergleich zu Masthühnern nehmen die Brüder von Legehennen deutlich langsamer an Gewicht zu. Alle abgebildeten Tiere sind fünf Wochen alt. Foto: Land schafft Leben

Aber dazu müssen wir von vorne anfangen. Denn Huhn ist nicht gleich Huhn. Während früher die sogenannten Zweinutzungsrassen sowohl zur Eier- als auch zur Fleischproduktion genutzt wurden, beschränkt man sich heutzutage auf eines von beidem. Legerassen werden so gezüchtet, dass sie viele Eier legen, Fleischrassen sollen schnell Fleisch ansetzen. Männliche und weibliche Hühner schlüpfen etwa im Verhältnis 50 zu 50. Bei Fleischrassen werden weibliche sowie männliche Küken aufgezogen und gemästet. Eier können jedoch bekanntlich nur von Hennen gelegt werden. Was passiert also mit ihren männlichen Geschwistern?

So viel ist klar: Für die Eierproduktion sind sie nicht geeignet. Das überlassen sie den rund 7,4 Millionen Legehennen in Österreich. Eine Henne legt etwa 300 Eier im Jahr. Pro Kopf essen wir jährlich etwa 248 Eier. Diese Zahl beinhaltet sowohl Frischeier als auch Eier in verarbeiteten Lebensmitteln. Man könnte also sagen, dass jede:r Österreicher:in eine persönliche Henne hat, die sich um die Eierversorgung kümmert. 

Die Hennen legen also die Eier. Und die Hähne werden dann wahrscheinlich gemästet – ist ja bei Milchkühen auch so, oder? Großteils werden die weiblichen Kälber zu Milchkühen aufgezogen und die männlichen gemästet. Bei den Rindern ist das aber anders als bei den Hühnern. Die in Österreich am weitesten verbreitete Rinderrasse ist das Fleckvieh, eine Zweinutzungsrasse. Ein Allroundtalent also, wie oben bereits besprochen. Die Hühnerrassen, die in Österreich und auch sonst auf der Welt vorrangig für die Eierproduktion eingesetzt werden, sind hingegen eindeutig darauf gezüchtet, eine gute Legeleistung zu bringen und nicht darauf, viel Fleisch anzusetzen. So hart es auch klingen mag: Die männlichen Küken der Legerassen haben in unserer modernen Lebensmittelproduktion nicht wirklich Platz.

Und wie geht man mit diesem Problem um? Man spricht bei der heimischen Eierproduktion ja nicht von kleinen, idyllischen Bauernhöfen, auf dem zehn Legehennen fröhlich gackernd durch den Garten laufen und ab und zu ein Ei legen. Die Zeiten, wo die Bäuer:innen jeden Morgen mit ihrem Körbchen in den Stall gehen und dort ein paar Eier einsammeln, sind längst nicht mehr der Standard. Die Henne-Hahn-Thematik findet in einem viel größeren Rahmen statt.

Wie gesagt, rund 7,4 Millionen Legehennen gibt es in Österreich, die von rund 1.200 Legehennenhalter:innen gehalten werden. Etwa 56 Prozent der heimischen Legehennen leben in Bodenhaltung, 31 Prozent in Freilandhaltung und 13 Prozent in Bio-Haltung. Viele Arbeitsschritte werden mittlerweile maschinell erledigt. Beispielsweise werden die Eier, aus denen die Legerassenküken schlüpfen, nicht von der Henne selbst, sondern von Maschinen in Brütereien bebrütet. Nach 21 Tagen in der Brutmaschine schlüpfen die Küken und werden anschließend nach Geschlecht sortiert. Die weiblichen Küken werden auf Junghennenaufzuchtbetriebe und anschließend auf Legebetriebe gebracht. Dort legen sie die Eier, die wir schlussendlich im Supermarkt kaufen können.

Foto: Land schafft Leben

Die konventionellen männlichen Küken werden großteils nach dem Schlüpfen getötet. Das darf seit 2022 laut Gesetz aber nicht „ohne vernünftigen Grund“ passieren. Im Zuge dessen hat sich die österreichische Geflügelbranche auf ein drei-Säulen-Modell geeinigt. 

Die erste Säule und somit eine der drei Verwendungsmöglichkeiten für die Hahnenküken ist das Verfüttern. Dieser Futterzweck gilt als „vernünftiger Tötungsgrund“. Die Küken werden nach dem Schlüpfen mit CO2 getötet und dienen dann in zum Beispiel Zoos oder Greifvogelstationen als hochwertige Nahrungsquelle für etwa Schlangen, Nasenbären, Eulen und Adler. Das betrifft ungefähr zwei Drittel der männlichen Küken.

Viele Menschen haben Bilder im Kopf, wo männliche Küken nach dem Schlüpfen geschreddert werden. Diese Methode war früher zwar gängig, wird in Österreich aber seit Jahrzehnten nicht mehr praktiziert und ist seit 2022 offiziell verboten. 

Die zweite Säule der Branchenlösung ist die Aufzucht. Sie wird teilweise in der konventionellen, aber vor allem in der biologischen Landwirtschaft praktiziert. Die österreichische Biobranche hat sich 2016 darauf geeinigt, sämtliche männlichen Legerassenküken aufzuziehen – „Bruderhahn“ nennt sich dieses Konzept. Die Brüder der Legehennen werden gemästet, obwohl sie genetisch gesehen nicht dafür geeignet sind. Sie brauchen deutlich länger als klassische Fleischrassen, bis sie ihr Schlachtgewicht erreicht haben, und sie fressen dementsprechend deutlich mehr. In Summe ist der Flächenbedarf eines Bruderhahns viel größer, denn er nimmt mehr Stall-, Auslauf- und Futterflächen in Anspruch. Somit ist auch der CO2-Fußabdruck der Bruderhähne deutlich größer als von regulären Masthühnern. 

Obwohl das Bruderhahn-Konzept nicht nur Vorteile hat, klingt es für viele doch nach einer guten Option. Wie so oft passt das aber mit unserem tatsächlichen Konsum eher weniger zusammen. Denn das Fleisch vom Bruderhahn ist aufgrund seines hohen Preises und seiner Qualität nicht unbedingt der allergrößte Verkaufsschlager. Da greifen wir dann doch lieber zur günstigeren Hühnerbrust von echten Fleischrassen. 

Aber die Branchenlösung hat ja auch noch eine dritte Säule. Achtung, jetzt wird’s technisch. Eine mögliche Lösung für das Henne-Hahn-Dilemma – die aktuell aber hierzulande noch nicht umgesetzt wird – ist die sogenannte Geschlechterfrüherkennung. Mithilfe moderner Technologien kann das Geschlecht des Kükens bereits im Ei festgestellt werden. Eier, die einen männlichen Embryo enthalten, können aussortiert werden, sodass erst gar keine Hahnenküken schlüpfen. Mit diesen Technologien können auch unbefruchtete Eier erkannt und aussortiert werden. Das spart Kosten und Energie, weil die Eier nicht umsonst bebrütet werden. Die aussortierten Eier können zum Beispiel zu Futtermitteln verarbeitet werden. In einigen Ländern wie beispielweise Deutschland oder Frankreich wendet man dieses Verfahren bereits an. Auch in Österreich wird aktuell überlegt, in eine solche Technologie zu investieren. 

Klingt vielversprechend, oder? Zu früh gefreut, der eine oder andere Haken an der Sache darf natürlich nicht fehlen. Durch die Geschlechterfrüherkennung würden beispielsweise deutlich weniger bis kaum noch Futterküken für Greifvogelstationen oder Zoos produziert werden. In Zukunft müssten diese also aus dem Ausland importiert werden oder es bräuchte alternative Futtermittel.

Außerdem darf man das Finanzielle nicht vergessen. Solche Technologien sind nämlich alles andere als günstig. Nicht alle Brütereien können und wollen sich das leisten. Denn diese Investitionen rentieren sich finanziell erst ab einer gewissen Unternehmensgröße beziehungsweise ab einer gewissen Menge an Eiern, die bebrütet werden. Hinzu kommt, dass teurere Produktionsbedingungen schlussendlich auch zu etwas teureren Eiern führen. Und wie gesagt, greifen wir Konsument:innen tendenziell lieber zu günstigen Lebensmitteln. 

Doch wie so oft dürfen wir unsere Rolle nicht unterschätzen. Die technologische Entwicklung macht auch vor der Landwirtschaft nicht Halt und bringt einige Herausforderungen mit sich. Unsere Nachfrage nach gewissen Lebensmitteln ermöglicht oder erschwert diesen Fortschritt und somit gewisse Produktionsbedingungen. Was es also braucht, ist Bewusstseinsbildung. Zu wissen, wie die Eierproduktion in Österreich derzeit funktioniert, welche Möglichkeiten es für die Zukunft gibt, was die Vor- und Nachteile hinter verschiedenen Optionen sind – all das ist notwendig, um sich bewusst für ein Lebensmittel entscheiden zu können. Auf Eier und Hühnerfleisch aus Österreich zurückzugreifen, ist jedenfalls eine gute Wahl, denn diese Lebensmittel sind unter Einhaltung hoher Standards produziert worden.

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