Christian Tschida, einmal um die ganze Welt – Teil 3
„The Butcher of Paris“ oder das Wesen des Österreichers
Christian Tschida muss man nicht mehr vorstellen. Seine fantastischen Weine findet man nicht umsonst auf den Weinkarten der prestigeträchtigsten Restaurants und angesagtesten Weinbars rund um den Globus. Bereits zum dritten Mal teilt Christian ein paar seiner Abenteuer mit uns. Anekdoten in seinen eigenen Worten, ungefiltert.
© Ingo Pertamer
Pariser Kunstgalerie Chantal Crousel
Es war wieder einmal „notwendig“, nach Frankreich zu reisen, dieses Mal kam ich für eine spannende Verkostung in die Pariser Kunstgalerie Chantal Crousel. Der Empfang hätte besser nicht sein können, beim Eingang traf ich David Leclapart, „Kunstschaffender“ aus Montagne De Reims. Winzer wie er haben – neben Jerome Prevost mit La Closerie, Pascal Agrapart, Jacques Sellosse und etlichen anderen – in der Champagne für eine gewisse Frischzellenkur gesorgt.
Diese Art von Menschen gibt es in jeder Weinregion dieser Welt, da ist immer diese Handvoll Typen, die sogenannte Traditionen und den lokalen Mainstream in Frage stellt und neu denkt … Sie sind dafür verantwortlich, dass ich mir nach zehn Jahren Abstinenz hin und wieder eine Flasche Champagner hinter die Binde kippe.
Christian Tschida (rechts) mit David Leclapart (links)
Schlagartig war der spröde Charme der morgendlichen Pariser Metro vergessen – denn die aktuelle Ausstellung war keinem geringerem als dem österreichischen Künstler Heimo Zobernig gewidmet. Es waren an die 20 Werke, darunter auch ein paar großartige Zeichnungen. Das Glücksgefühl war überwältigend und schön langsam fange ich (zumindest ansatzweise) an zu verstehen, wie sich Menschen aus Österreich fühlen, die Österreich-Exporte wie Kunst oder Wein im Ausland sehen oder kaufen oder trinken oder essen.
Ich meine damit nicht jene Österreicher, die in Bangkok auf der Suche nach dem besten Wiener Schnitzel ihres Lebens sind, sondern jene, die auf der Weinkarte in Barcelona einen Non-Tradition Grüner Veltliner entdecken und mit stolz geschwellter Brust beim Sommelier bestellen.
So oder so ähnlich ging es mir beim Anblick der Werke von Heimo Zobernig. Ich habe mich einfach gefreut, dass ihm in Paris gebührend Respekt gezollt wird, vielleicht sogar mehr als in Österreich – das ist bei vielen Winzern nicht anders …
Das Lineup der Verkostung war hochkarätig, der Schwerpunkt lag eindeutig auf Frankreich: Champagne, Loire, Jura waren schwerstens in der Überzahl. Ich selbst hatte fünf Weine auf meinem Tisch zur Verkostung gereicht: „Himmel auf Erden Rosé“, „A.E.I.O.U.“, „Himmel auf Erden Grande Cuvée“, „Birdscape Pink“ und eine Fassprobe vom Blaufränkisch Edelgraben.
Der Rosé sorgte für extra Wirbel unter Gästen wie Produzenten, es war nämlich noch eine Fassprobe, der Wein war wild und es war die pure Kreidigkeit, die ihm aus der Seele sprach. Es war ein ähnlicher Effekt am Gaumen wie bei gewissen Grand Cru Champagnern, es war, als ob du weiße Kreide frisst.
Der Tisch von David Leclapart bot sicherlich mein Highlight der Verkostung, denn er zeigte einen einzigen Wein. Der „Aphrodisiaque“ war eine Bombe, es war alles im verschwenderischen Maße vorhanden: Zitrische Frische die dem Holz trotzt, Salzigkeit und Kreide, absolute Purezza. Ich „musste“ den Wein mehrfach „verkosten“, bei den letzten zwei Gläsern hat mich David schon sehr fragend angesehen, aus reinem hedonistischem Egoismus habe ich seinen Blick ignoriert.
Nebenbei angemerkt, den Namen „Aphrodisiaque“ hat sich seine charmante Frau ausgedacht – ein Schelm wer Böses denkt.
Elias Muster (Mitte)
An einem der Tische neben mir, saß ein rebellisch gestikulierender, junger Mann namens Elias, der gerade von einem einjährigen Praktikum in Australien zurückgekehrt war. Elias ist der Sohn von Maria und Sepp Muster, die mit Weinen wie „Sgaminegg“ und „Erde“ von der Steiermark aus die Welt beglücken. Er ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, sein jugendlicher Einfluss ist mittlerweile spürbar. Das Resultat ist quasi eine Tendenz: spektakuläre Frische und Reife zugleich, eine aromatische Seltenheit.
The Butcher of Paris
Schön langsam wurde es allerhöchste Zeit, von flüssiger auf feste Nahrung umzusteigen und was dann passierte, erinnerte mehr an Szenen aus dem legendären Spielfilm „Das große Fressen“ (Originaltitel: La grande bouffe) mit Michel Piccoli, Marcello Mastroianni und Andréa Ferréol als Femme Fatale. Legendär die Szene, in der sie Kartoffelpüree zubereitet – mit den sagenhaften La Ratte-Kartoffeln und gleich viel Butter-Anteil – und die Herren mit einem riesigen Kochlöffel füttert. Seit meiner Jugend habe ich immer nach einem Kartoffelpüree wie diesem gesucht, es war lange Zeit mein Idealbild – leider habe ich es nie gefunden …
Im „The Butcher of Paris“ geht tatsächlich so die Post ab. Es ist ein Feinkostladen, Fleischerei, ein Bistro und eine Weinbar zugleich. Der Service ist gnadenlos zu uns Gästen und bringt gut gekühlte Magnums, Terrinen und Leber-Pasteten in Endlosschleife, Salami, Käse aus dem Jura, Schinken, Geräuchertes, Suppen, Cassoulet, Würste, Ratatouille und Crème Brûlée, bis wir uns nach zwei Stunden wieder „rausrollen“ müssen.
Bei dem ambitionierten Versuch aufzustehen, reißen wir den hinter dem Tisch hängenden Heizkörper samt Verankerungsschrauben heraus, der Wirbel ist groß, denn der Luster hat auch etwas abbekommen. Meine Kalmierungsversuche sind insofern erfolgreich, da ich kein einziges Wort Französisch spreche …Stunden später, Elias und ich schlendern seit Stunden planlos durch Paris und erholen uns langsam von dem wahnsinnigen Nachmittag. Durch das Schaufenster eines Lokals spiegeln sich ein paar großartige Flaschen – wir sind im „Septime“ gelandet, ich fühle mich gerettet, doch das ist eine andere Geschichte…
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