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Streifzüge Pt. 4 – Hotel Hirschen in Schwarzenberg

von Johannes Schartner

Zwischen Rauch, Region und Reife.

Im vierten Teil meiner Kolumne besuchte ich den Bregenzerwald in Vorarlberg. Genauer gesagt das legendäre Hotel Hirschen. Dort habe ich mich umgesehen und mich mit Jonathan Burger unterhalten, der gemeinsam mit Raphaela Wirrer die Küche leitet.

Die zwei gehen wesentlich weiter als die meisten mir bekannten Hotel-Restaurants – Ein grüner Michelin-Stern ist jedoch nicht die einzige Auszeichnung des Duos.

Foto Credit
Jonathan Burger und Raphaela Wirrer – Foto Credit: Julius Hirtzberger

Jonathan, die Küche im Hirschen bewegt sich zwischen Tradition, Fermentation und Feuer. Wie bist du hier gelandet? War das schon immer dein Plan?

Als Raphaela und ich im Hirschen angefangen haben, haben wir uns als Erstes Gedanken zum Haus bzw. zu unseren Werten gemacht. Wir wussten, dass wir eine sehr nachhaltige, regionale Linie fahren wollen – allerdings immer mit dem Blick in die weite Welt gerichtet.

Sprich: Wir verwenden Techniken und Inspirationen aus der ganzen Welt, um ganzjährig eine regionale Küche kochen zu können. Fermentation war für uns vor acht Jahren kein Trend, sondern eine alte Technik, die gerade wieder mehr Beachtung findet. Sie hilft uns, unser Ziel einer nachhaltigen Küche zu verfolgen.

Das Feuer nimmt seit vier Jahren einen immer größeren Anteil in unserer Küche ein – nicht zuletzt, weil ich vor zehn Jahren schon in einem BBQ-Restaurant in Neuseeland gearbeitet habe.

Das Hotel Hirschen samt Badehaus – Foto Credit: Adolf Bereuter

Das Hotel Hirschen liegt im wunderschönen Bregenzerwald, mitten in Schwarzenberg — umgeben von Wald, Wiesen und Bergen. Gibt es ein Produkt aus der Region, das wir alle total unterschätzen? Wie würdest du es neu denken?

Puhhh, schwierig. Wir feiern den Holunder: Holunderblüten als Strauben oder eingelegt, Holunderbeeren als Kapern – super. Holundermet, Holunderhonig. Aber auch ein Holunderessig für eine Ceviche ist genial. Das Holz kann man zum Räuchern verwenden. Und es gibt einen Käse, den man noch kaum kennt: den Rochus – ein Käse, der zwei Jahre reift und nach dem Parmesan-Verfahren hergestellt wird, nicht in Italien, sondern in Bizau. Ist doch super!

Fermentation ist eine uralte Technik, die nicht nur neue Geschmäcker erschließt, sondern auch Geduld, Kontrolle und vielleicht sogar ein bisschen Demut lehrt. Viele sehen darin nur einen Food-Trend, aber wer sich mit Mikroorganismen beschäftigt, weiß: Da steckt mehr dahinter. Was hat dir die Arbeit mit Fermentation über Geduld, Kontrolle – und das Leben beigebracht?

Wir müssen alle wieder mehr auf unsere Instinkte hören. Heutzutage wird viel zu viel weggeworfen – Essiggurkengläser, die etwas Kammhefe angesetzt haben, zum Beispiel. Wir haben uns in den letzten acht Jahren immer wieder neue Ziele gesetzt. Hätte man uns damals gesagt, dass wir heute dreijährigen Schinken selbst machen, in einem eigenen Schinkenkeller – oder dass wir einen Klimaraum in der Küche haben, um die Koji-Fermentation zu perfektionieren – wir hätten nur gelacht. Also bleiben wir dran. Ich glaube, wir haben letztes Jahr zum ersten Mal nach sieben Jahren unsere Basis in der Küche gefunden. Und in den letzten zehn Monaten haben wir einen brutalen Qualitätssprung gemacht. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass das über sieben Jahre dauern würde, um das sagen zu können. Einfach schön.

Du betreibst nebenbei auch deine eigene Grillfirma namens Inbrunst – Feuer und Glut sind also nicht nur in der Hirschen-Küche ein Thema. Was macht für dich den perfekten Grillmoment aus? Geht’s mehr ums Essen oder ums Drumherum? Und welches Produkt sollte viel öfter auf dem Grill landen, weil wir es total unterschätzen?

Der Grund, warum wir die Grillfirma gegründet haben, ist recht simpel: Wir wollen den Leuten wieder mehr einmalige Momente mit Freunden oder der Familie gönnen. Kindheitserinnerungen erzeugen – mit Holz und Feuer. Dem ältesten Fernseher der Welt!

Ich mache immer Werbung für Gemüse. Spargel ist das Allergrößte vom Grill. Aber ich bin auch Fan von – Achtung – Landjägern. Ich lieb’s.

Wenn wir mal ein bisschen weiterdenken: Wie siehst du die Zukunft des Essens? Geht’s eher in Richtung High-Tech und Laborfleisch oder besinnen wir uns wieder stärker auf alte Techniken, echtes Handwerk und regionale Produkte? Oder wird es am Ende eh beides geben – Technologie und Tradition Seite an Seite?

Es wird zwei Lager geben. Einerseits werden wir reines Handwerk erleben können – in einmaligen Restaurants. Bunt gemischt – da arbeiten dann die Fachkräfte. Die andere Seite wird die Systemgastronomie sein bzw. so, wie es teilweise jetzt schon aussieht: Pizza, Burgerläden und Döner.

Alles, was qualitativ frisch von Fachkräften angeboten wird, wird viel teurer werden. Die Marktbereinigung, die wir im Moment schon beobachten können, fängt gerade erst an. Leider.

Foto Credits: Bild 1 (Jonathan und Raphaela): Julius Hirtzberger Bild 2 (Hoferstube): Angela Lambrecht Bild 3 (Ferments): Maximilian Pohler Bild 4 (Schinken): Florence Stoiber

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