Der Weg, den Silo geht: Ein Blick auf Douglas McMasters Vision
Silo – selbsternannt das erste Zero-Waste-Restaurant der Welt in London, ist ein Symbol für radikal nachhaltige Veränderung in der Gastronomie, ohne den Spaß am feinen Essen aus den Augen zu verlieren. Mit Blick auf die Kanalboote, in einem umgebauten Lagerhaus, lehnt Silo seit seiner Eröffnung 2019 Verschwendung komplett ab.
Die Vision: Ein Restaurant ohne Mülltonne
Im Restaurant wird mit einer eigenen Getreidemühle gearbeitet, Butter selbst hergestellt, Hafermilch erzeugt. Gemäß der „Nose-to-Tail“-Ideologie wird das gesamte Tier genutzt. Die hauseigene Brauerei kreiert fermentierte Getränke.
Möbel und Ausstattung des Restaurants sind auf Wiederverwendung ausgerichtet. Upcycling geht vor Recycling: So werden Möbel aus Materialien hergestellt, die sonst verschwendet würden, und Teller aus Plastiktüten und Tische aus recycelten Lebensmittelverpackungen gefertigt.
Selbst das Geschirr besteht unter anderem aus zerstoßenen Weinflaschen. Alle Produkte werden in wiederverwendbaren Behältern wie Kisten, Eimern, Urnen oder Behältern geliefert. Der minimale verbleibende Abfall ist kompostierbar.
Das Restaurant führt Chefkoch Douglas McMaster, dessen Mission es ist, 98 Prozent der Lebensmittel, die Silo erreichen, in irgendeiner Weise auf den Tellern der Gäst:innen enden zu lassen – der Rest wird bestmöglich kompostiert. Selbst die Speisekarten werden auf weiße Wände projiziert, um Papier zu sparen.
Die Gerichte sind immer unterschiedlich, mit ständigen Anpassungen je nach Verfügbarkeit der Zutaten. Doch trotz der Komplexität des Zero-Waste-Traums bleibt die Atmosphäre locker und ungezwungen. Das elfgängige Menü mit Getränkebegleitung kostet pro Person etwa 145 Euro.
Die Zero-Waste-Bewegung ist mehr als ein Trend; sie ist für manche eine Notwendigkeit in einer Welt, die sich der umweltfreundlichen Praktiken zunehmend bewusst wird. Silo mag nur ein Restaurant sein, und seine Methoden mögen für viele unerreichbar erscheinen, aber es zeigt, dass Nachhaltigkeit und erstklassige Küche Hand in Hand gehen können.
Ich habe Douglas vor einiger Zeit im Rahmen der MAD Academy in Kopenhagen als Gastlektor kennengelernt und mich mit ihm über seine Motivation und die Anfänge von Silo unterhalten und darüber, wie er die Zukunft sieht.
Douglas McMaster. Foto: @Frankowksi
Kannst du auf Mülleimer verzichten? Diese Frage stellte dir Zero-Waste-Pionier Joost Bakker zu Beginn von Silo, deinem Restaurant, das den Anspruch hat, das erste Zero-Waste-Restaurant zu sein. Könntest du ein wenig über die Anfänge von Silo erzählen?
Joost ist ein Visionär, ein Futurist und, einfach ausgedrückt, ein Genie! Ich hatte das Glück, ihm vor elf Jahren zu begegnen, und war optimistisch genug zu glauben, dass sein Vorhaben möglich ist. Doch die Wahrheit ist, dass ich damals völlig ahnungslos war. Ich hatte keine Vorstellung, ob Zero-Waste überhaupt umsetzbar war, und wusste nicht einmal, was das Wort „Nachhaltigkeit“ bedeutet. Seitdem war es ein langer und beschwerlicher Weg. Doch gerade die schwierigsten Wege bringen die größten Abenteuer mit sich.
Die Idee war ihrer Zeit so weit voraus, dass sie auf viele Menschen, sei es Kund:innen oder Mitarbeiter:innen, fremdartig wirkte. Diese Vision in den Anfangstagen zu kommunizieren, war eine immense Herausforderung.
Alle glaubten, Zero-Waste bedeutet, den Kunden Abfälle als Speise zu servieren.
Früher ärgerte ich mich oft über die Fehlinterpretationen der Menschen – Silo wurde gerne als aufmerksamkeitsheischend und überheblich abgetan. Die Frustration darüber war manchmal schwer zu ertragen. Doch dann sah ich ein Video der „School of Life“ auf YouTube, das meine Sichtweise veränderte. Das Video trägt den Titel „Plato On: The Allegory of the Cave“.
Als ich die Botschaft verstand, empfand ich große Erleichterung: Ein plötzlicher radikaler Wandel kann den Menschen überfordern und Stress verursachen. Mir wurde klar, dass ich einfach Geduld haben muss.
Das Silo-Logo ist das Symbol einer Getreidemühle, die für dich ein ganzheitliches und natürliches Ernährungssystem darstellt – warum ist die Beziehung zu Landwirt:innen und direktem Handel so wichtig
Die Getreidemühle steht symbolisch für den direkten Bezug von vollwertigen Lebensmitteln von den Bauernhöfen. All unsere frischen Produkte kommen direkt von den Bäuer:innen, nicht von Großhändler:innen. Großhandel bedeutet, dass man immer bekommen kann, was man möchte, und das konstant. Bäuer:innen können ein solches Versprechen nicht geben; unser Menü spiegelt die Bauernhöfe wider, mit denen wir zusammenarbeiten. Es ist dem Wohlwollen der Natur unterworfen. Diese Art der Planung bedeutet, dass unsere Köch:innen so intuitiv sein müssen wie Jedi-Ritter:innen.
Landwirtschaft ist nämlich der wichtigste Aspekt der Nachhaltigkeit. Wenn wir uns auf Supermärkte und den Großhandel verlassen, wird dies nur die industrielle Landwirtschaft verschlimmern; das führt dann zu Monokulturen, die den Boden zerstören, Verlust der Artenvielfalt, Nährstoffmangel, Plastikverschmutzung, Lebensmittelverschwendung und vielen anderen umweltschädlichen Auswirkungen.
Kannst du uns das Konzept der regenerativen Landwirtschaft und warum es so entscheidend für unsere Zukunft ist, etwas näher erläutern?
Regenerative Landwirtschaft ist entscheidend, wenn wir Menschen weiterhin auf diesem Planeten existieren wollen. Unsere derzeitige industrielle Landwirtschaft ist wie ein Krebsgeschwür, das seinen Wirt zerstört. Sie hat den Großteil des fruchtbaren Bodens zerstört, die Biodiversität vernichtet, enorme Mengen an Treibhausgasen ausgestoßen und den Planeten sowie dessen Bewohner:innen mit Chemikalien wie Glyphosat vergiftet.
Die „regenerative Landwirtschaft“ ist das genaue Gegenteil. Ich bin der Ansicht, dass sie im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen sollte, wenn wir den Planeten retten wollen. Ich beschreibe die regenerative Landwirtschaft gerne als „zuhören, was die Natur will“. Es gibt viele Ansätze, aber der Boden ist das beste Beispiel dafür. Wenn wir den Boden so behandeln, wie er es verdient – ihn nähren, füttern, für ihn sorgen und ihn lieben –, dann wird er mit der Zeit voller vielfältigem Leben sein. Wenn wir Nahrung auf diesem Boden anbauen, werden wir dieselbe Menge an Liebe zurückbekommen, genährt mit Vitalität und Stärke. Das ist die beste Investition, die wir tätigen können, um den Planeten und die Menschen zu regenerieren.
Du hast mit Silo gezeigt, wie man Abfallmaterialien verwendet, um einen Raum einzurichten. Wie findest du solche Dinge, zum Beispiel einen Hocker aus Pilzen?
Silo ist eine Zusammenstellung der durchdachtesten und innovativsten regenerativen und Abfallmaterialien. Es zeigt, dass Abfall ein Scheitern der Vorstellungskraft ist. Nicht nur können wir Abfall aus dieser Welt herausdesignen, er kann genauso schön sein wie jedes andere Material. Ich würde sogar argumentieren, dass es noch schöner ist, weil es etwas Bedeutungsvolles repräsentiert.
Du sagst, Veränderung sei schwierig, und deshalb ist Durchhaltevermögen sehr wichtig. Wie bleibst du auf deinem Weg, und was motiviert dich?
Ich bin motiviert weiterzumachen, wenn ich sehe, dass die Welt brennt.
Der Klimawandel ist sehr real, und unsere Handlungen stehen damit in direktem Zusammenhang. Ich weiß, dass ich für negative Auswirkungen, die ich auf den Planeten habe, verantwortlich bin, also fühle ich mich motiviert, Wiedergutmachung zu leisten.
Stell dir vor, du hattest einen schlechten Tag und warst sehr unhöflich zu deinen Freund:innen und deiner Familie. Was würdest du tun? Natürlich würdest du dich bei deinen Freund:innen und deiner Familie entschuldigen, warum nicht auch beim Planeten?
Du sagst immer, du kannst Dinge ohne Wert in wertvolle Dinge verwandeln. Wie siehst du die Zukunft der Gastronomie, was die Umsetzung von Zero-Waste angeht?
Zero-Waste ist die Zukunft. Es muss so sein, sonst gibt es keine Zukunft. Nenn es Zero-Waste, nenn es Nachhaltigkeit, nenn es sich um die Natur scheren. Der Name ist weniger wichtig – wichtig ist, dass wir alle die Idee verstehen, dass wir Teil der Natur sind und wir die Natur nähren müssen, um uns weiterhin selbst ernähren zu können.
Zero-Waste ist ein System ohne lose Enden, und Silo ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es funktionieren kann; wir haben eine Töpferei, die unser Abfallglas, wie unsere Weinflaschen, in Teller verwandelt, wir verwandeln altes Brot in Marmite, wir reparieren unser zerbrochenes Geschirr mit Kintsugi, unser Essen wird zur Gänze in wiederverwendbaren Behältern geliefert. Das sind nur einige Beispiele für diese zirkuläre Denkweise.
(Übersetzt und leicht gekürzt aus dem Englischen von Nina Mohimi)
Die Zero-Waste-Bewegung ist mehr als ein Trend; sie ist für manche eine Notwendigkeit in einer Welt, die sich der umweltfreundlichen Praktiken zunehmend bewusst wird. Silo mag nur ein Restaurant sein, und seine Methoden mögen für viele unerreichbar erscheinen, aber es zeigt, dass Nachhaltigkeit und erstklassige Küche Hand in Hand gehen können.