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ZUM DRITTEN TAGE – AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN

von Matthias Balgavý

Zwischen Gulyás, Grillfeuer und Jazz: Wie ein altes Wirtshaus in Nickelsdorf wieder zum Leben erweckt wird

In vielen ländlichen Regionen Österreichs ist es ein vertrautes Bild: Das Wirtshaus am Hauptplatz steht leer, die Fensterläden sind zugezogen, das Schild mit verblasstem Schriftzug erinnert nur noch leise an eine Zeit, in der hier Feste gefeiert, Stammtische abgehalten und Lebensgeschichten geteilt wurden. Stattdessen vereinzelte „Pizza-Burger-Kebap-Bowl-Läden“ für die rasche Befriedigung der inneren Leere.

Das sogenannte „Wirtshaussterben“ ist längst kein Randphänomen mehr, sondern spiegelt einen tiefgreifenden Wandel wider – demografisch, wirtschaftlich, sozial.

Es fehlt an Nachfolger:innen, an wirtschaftlicher Perspektive, an neuen Konzepten. Besonders im ländlichen Raum ist die Wiederbelebung oft ein Kraftakt – zwischen Bürokratie, Erwartungshaltungen und der Frage: Für wen machen wir das überhaupt? Das einstige kulinarische Erbe, der kulturelle Mittelpunkt verschwindet. Traurig.

Doch wo der Leerstand wächst, entsteht manchmal auch Raum für frische Ideen! So wie in Nickelsdorf – einem unscheinbaren Ort direkt an der ungarischen Grenze, mit Blick Richtung Seewinkel und Leithagebirge. Dort, wo einst die legendäre Jazzgalerie Nickelsdorf unter der Ägide von Hans Falb internationale Free Jazz-Größen wie Peter Brötzmann oder Sun Ra anzog, tut sich nun wieder etwas. Seit 2020 war der Ort weitgehend geschlossen, nur für das renommierte und hauseigene Festival Konfrontationen im Hochsommer öffnete Falb die Türen jährlich. Jetzt aber kommt neuer Schwung – aus einer jungen, kreativen Ecke.

Alle Fotos: Apollonia Theresa Bitzan

Eine Allianz aus Kunst, Küche und Kulinarik

Die Wiederbelebung der Jazzgalerie passiert nicht durch Zufall. Yannik Steer, mit familiären Wurzeln aus der Gegend, hat gemeinsam mit dem Wiener Gastronomen Peter Balon (Schmauswaberl) bereits drei Jahre lang während der „Konfrontationen“ für das leibliche Wohl gesorgt. „Das Verhältnis zum Ort ist familiär geworden“, sagt Steer. „Es gibt hier so viel Potenzial – zwischen Dorf, Umgebung und Stadt.“ Gemeinsam mit zwei weiteren kreativen Köpfen wagt er nun den nächsten Schritt: ein Sommer-Pop-up mit Perspektive auf mehr.

Mit dabei ist Johanna Maroušek, bekannt aus der Rausch Bar in Wien-Ottakring. Sie bringt nicht nur die Bar-Expertise mit, sondern auch ein Gespür für Atmosphären: „Mich hat das Alleinstellungsmerkmal sofort angesprochen – viel Platz, ein großer Gastgarten und diese Weite. Ganz anders als die engen Strukturen, die man aus Wien kennt.“

Dritter im Bunde ist der bildende Künstler Jürgen Fetz alias Mafia Tabak – leidenschaftlicher Koch und Teil des Duos „Maler und Koch“. „Für mich ist das eine künstlerische Schnittstelle“, sagt er. „Ich bringe Kunst ins Haus – durch Hängungen, Gestaltung – und bin gleichzeitig für die Küche verantwortlich.“

Jazz trifft Grillhenderl trifft moderne Bistroküche

Was erwartet die Gäste? „Wir starten mit einer kleinen, aber feinen Karte: altbewährte Burgenland-Klassiker wie Gulasch oder Paprykarz, aber neu interpretiert“, erklärt Jürgen. Daneben auch zeitgemäße, saisonale Gerichte wie Wassermelonensalat und viel Gemüse. Es wird aber auch mit offenem Feuer gearbeitet und Produzentinnen aus der Umgebung und dem Seewinkel sollen eingebunden werden.

Und ja – es wird auch hochwertige Drinks geben. Dafür sorgt Johanna. „Wir wollen viel ausprobieren – klassische Cocktails, aber auch Neues mit Kräutern aus dem Garten oder regionalen Zutaten.“ Dazu sollen später gesetzte Dinners mit Jazz, Weinbegleitung und Sharing Plates folgen – „kulinarische Konfrontationen“, wie Johanna es treffend formuliert.

Die Aufgaben sind klar verteilt: Yannik kümmert sich um die Gesamtleitung und Organisation, Johanna verantwortet Bar und Booking, Jürgen gestaltet Küche und künstlerisches Konzept. Das Festival selbst liegt weiterhin in der Hand von Hans Falb. Doch schon ab August oder September sind erste Konzerte im kleineren Rahmen geplant. Jam Sessions oder spontane DJ-Nächte sind möglich – „aber das ergibt sich meist aus dem Moment“, meint Yannick.

Ein Wirtshaus ohne Bubble

Die Reaktionen im Ort? Überraschend positiv. Die Gemeinde unterstützt das Vorhaben, auch Bürgermeister und Gemeinderat stehen hinter dem Projekt. „Es gibt echte Vorfreude“, sagt Yannik. „Natürlich ist da auch Neugier – aber genau die brauchen wir.“

Das Ziel ist klar: ein lebendiger Ort der Begegnung – zwischen Land und Stadt, Kunst und Kulinarik, Tradition und Experiment. Haubenfrei, fern ab vom Perfektionismus, dafür mit viel Flair, Seele und Leidenschaft. „Wir wollen keinen künstlichen Ort für Städter“, betont Johanna. „Sondern ein Ort, der einlädt – für alle. Völlig bubble-frei und inklusive der Anwohner:innen“

Was es dafür braucht? „Neugierige Gäste“, meint Jürgen. „Ein Publikum, das sich einlässt, das nicht alles sofort in Schubladen steckt. Denn das hier ist kein typisches Wirtshaus, aber auch kein klassisches Restaurant. Es ist beides – und mehr.“

Und zum Schluss: Warum der Name „Zum dritten Tage?“

„Weil die Auferstehung laut Bibel am dritten Tage passierte und wir ein Wirtshaus auferstehen lassen.“ – Fair enough, wie wir meinen.

Nickelsdorf, dieses stille Grenzdorf mit großer Geschichte, könnte bald wieder lauter werden. Und das nicht nur wegen des Jazz!

Das Opening findet am 6. Juni 2025 statt. Wohl bekomm’s!

Wirthaus zum Dritten Tage, ehemalige Jazzgalerie Nickelsdorf, 

Öffnungszeiten: Freitag ab 16 Uhr, Samstag und Sonntag ab 12 Uhr (Eröffnung 6.6.2025)

Untere Hauptstraße 13, 2425 Nickelsdorf

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