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Bsoffene Erfolgsgeschichte

von Thomas Weber

Er schmeckt mild, leicht nussig und ist – ein weltweites Alleinstellungsmerkmal – arsenfrei: der ÖsterReis von Gregor Neumeyer. Wir haben den Biobauern kurz vor der Ernte im Marchfeld besucht.


Bild: Thomas Weber

Auf die bsoffene Geschichte folgte erst einmal die Ernüchterung. Als Gregor Neumeyer vor neun Jahren das erste Mal Reis erntete, war die Ausbeute mehr als enttäuschend. Der Ertrag: lausig. „Wir ernteten eine Hand voll Reis”, sagt er. Dabei hatte er im Sommer davor gleich auf einem ganzen Hektar Reis angebaut – als Feldversuch in Gerasdorf bei Wien.

Die Idee dazu war an einem langen Winterabend in launiger Runde gekommen. „Wir saßen in einem Pub zusammen, scherzten über Reisanbau im Marchfeld”, erinnert sich der 36-jährige Biobauer und gesteht: „Auch ich hatte damals nur die asiatischen Bilder der gefluteten Reisfelder im Kopf.”

An diesem Abend hörte der hauptberufliche IT-Spezialist erstmals vom sogenannten Trockenreisanbau. Denn auch wenn das manche glauben: Reis ist keine Wasserpflanze. Dass er in vielen Weltgegenden unter Wasser angebaut wird, hat vor allem praktische Gründe. Die Rispenpflanze wächst langsam und ist äußerst konkurrenzschwach gegenüber Unkräutern, die mit ihr um Nährstoffe und Licht wetteifern. Im Gegensatz zu diesen ist Reis allerdings wassertolerant – und ein geflutetes Reisfeld eine effektive Form der Unkrautbekämpfung.

Reis ist de facto ein Convenience-Produkt, das jede:r isst. – Gregor Neumeyer, Biobauer und ÖsterReis-Gründer

Obwohl die erste Ernte nicht gleich den Beweis lieferte, dass es wirklich möglich ist, Reis im Marchfeld anzubauen, ließ sich Neumeyer nicht entmutigen. „Im Jahr darauf haben wir es einfach nochmal probiert”, sagt er, „und die Ernte 2016 war dann gleich extrem gut.” Seit damals gibt es die Marke ÖsterReis. Ein Name, der auf den ersten Blick klar macht, worum es geht: Reis aus Österreich; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und letztlich zwar keine Sensation, aber doch ein sehr sinnvoll zu besetzender Nischenmarkt. Ganz neu ist die Idee indes trotzdem nicht. Bereits in der Monarchie gab es im zeitweise ausgetrockneten Neusiedler See Anbauversuche. Aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen belegen Zeitungsartikel Überlegungen, Teile des Schilfgürtels im heutigen Nationalpark trockenzulegen und darauf Reis anzubauen.

Mancherorts in Europa hat Reis auch eine lange Tradition. Allerdings wird er – etwa in der Po-Ebene oder in der Camargue – im Schwemmland oder in Flussdeltas kultiviert. Während die Produktion dort aber durch Dürre und Trockenheit mittlerweile aber unter Druck gerät, ist Trockenreisanbau in unseren (verhältnismäßig immer noch gemäßigten) Breiten aber erst durch den Klimawandel sinnvoll geworden. Denn die Vegetationszeit vom Keimen einer Pflanze bis zur Reife des fertigen Korns ist kurz. „Reis mag es warm“, sagt Neumeyer. „Beim Anbau muss es über 15 Grad Celsius haben. Wir reden also von Mitte oder Ende Mai. 2023 haben wir sogar erst Anfang Juni angebaut.”

Dann liegt das Korn lange in der Erde, wächst langsam. In dieser Zeit muss der Biobauer auf der Hut sein, dass das Unkraut nicht die Kontrolle übernimmt. Damit die sogenannten Beikräuter mechanisch und mit Maschinen bekämpft werden können, baut er den Reis wie Mais in Reihen an. In der konventionellen Landwirtschaft könnte man sich da mit Spritzmitteln helfen. Doch der allergrößte Teil der dafür in Frage kommenden Herbizide und Fungizide ist in der EU gar nicht zugelassen.

Auch im Trockenreisanbau bleibt Reis eine Pflanze mit hohem Wasserbedarf, im Hochsommer wird deshalb bis zu dreimal die Woche bewässert. Reis brauche etwas mehr Wasser als Getreide, aber ungefähr so viel wie Gemüse. „Wasser ist ein rares Gut”, sagt Neumeyer. Er experimentiert deshalb mit wassersparender Tröpfchenbewässerung, bei der möglichst wenig Wasser verdunstet oder den falschen Pflanzen zugutekommt. Patentrezept dafür gibt es noch keines.

„Wir müssen die Bewässerungsschläuche vergraben, weil sie an der Oberfläche sonst von den Maschinen beim Unkraut regulieren beschädigt werden”, seufzt er. Er ist aber zuversichtlich, dass er das in den Griff bekommen wird. Denn unter dem Namen ÖsterReis wird längst nicht allein der Reis von seinen eigenen Feldern vermarktet.

2024 hat er bereits 20 andere Biobauern unter Vertrag, die für ihn anbauen. „Mir war klar: Wenn ich das für mich alleine mache, wird es immer Liebhaberei bleiben”, sagt er. „Wirtschaftlich nachhaltig wird das nur, wenn auch andere Betriebe einsteigen.” Ihnen gegenüber setzt er auf maximale Transparenz. Für das Kilo Reis erhalten sie zwischen 4 und 5 Euro. Da vom Kaufpreis jeweils ein Drittel an den Bauern, die Verarbeiter und den Handel gehen – „Ich finde das wirklich fair so!” – landet er letztlich bei einem Kilopreis zwischen 13 und 14 Euro. „Das ist mehr als das Doppelte des teuersten anderen Reises im Supermarkt”, weiß Neumeyer. Deshalb werde ÖsterReis auch immer eine Nische bedienen. Aber eine mit großem Potenzial.

Österreichweit hält er 1.000 Hektar Reisanbaufläche als realistisch erreichbares Nischenszenario. Derzeit bauen seine Vertragsbauern auf insgesamt 80 Hektar Bioreis an. Hochgerechnet 200 Hektar Reis werden derzeit insgesamt hierzulande angebaut. Flächendeckend gut erhältlich ist etwa der Seewinkler Bioreis, den burgenländische Biobauern für Ja! Natürlich anbauen. Einige anspruchsvolle Lokale loben auf ihren Karten auch den „Sonnenreis” des Biohof Mühl aus dem niederösterreichischen Parbasdorf aus.


Bild: Thomas Weber

Gregor Neumeyer und seine Frau Sandra Neumeyer setzen mit ÖsterReis auf eine Reihe von Vertriebsschienen. Die Gastronomie ist eine davon. „Alle fünf Restaurants im Tiergarten Schönbrunn verkochen ÖsterReis”, freut sich der Unternehmer. Auch in Reformhäusern, Ab-Hof-Läden oder etwa über den Online-Markt Gurkerl kann sein Reis gekauft werden. Eine besondere Stütze aber ist die Onlinedirektvermarktung. So konnte er bereits 2.500 ÖsterReis-Abos verkaufen – an Menschen, die selber kochen und sich einmal, zweimal oder viermal jährlich einen Fünf-Kilo-Sack Reis nach Hause schicken lassen. Das ist eine Möglichkeit, sich den begehrten Bioreis zu sichern. Denn die Ernte aus dem Vorjahr ist bereits seit März ausverkauft.

Seither kümmern Neumeyer und sein Vater Franz sich nicht nur um die Reisreihen auf den eigenen Feldern, sondern er experimentiert auch mit der wenigen dafür zurückgehaltenen Ware: Zusätzlich zu den nur sachte gesalzenen ÖsterReis-Waffeln (sie sind nicht nur als Babysnack beliebt) soll es demnächst auch Schokowaffeln geben. Ein Bier, Miso, eine Chili- und eine Würzsauce hat er bereits mit Partnermanufakturen umgesetzt.

Mit „Gut behütet“, einer Biopilzproduktion, hat er über den Sommer an einer Fertigmischung – ÖsterReis mit fein gehackten Trockenpilzen für die schnelle Küche – gebastelt. An Ideen und Anfragen mangelt es nicht. Heuer hofft Neumeyer mit seinen 20 Mitstreitern bei der Ernte deshalb erstmals die 100-Tonnen-Grenze zu knacken. Ab Ende September bis weit in den Oktober hinein wird geerntet. Die Pflanzen sind da teilweise noch grün, die Reiskörner müssen deshalb gleich getrocknet werden, bevor sie verarbeitet oder geschält, poliert oder als Naturreis in Säcke verpackt werden können.


Daran, dass ÖsterReis ein Erfolg wird, hat Gregor Neumeyer zumindest nach seiner zweiten Ernte nie wieder gezweifelt: „Mir war klar, dass das funktioniert. Reis ist de facto ein Convenience-Produkt, das jede:r isst. Ich bin eher erstaunt, wie schwierig die Produktion ist.” Rückschläge gibt es Jahr für Jahr. So musste er von seinen eigenen sechs Hektar, auf denen er heuer Reis angebaut hatte, fünf aufgeben. „Es war im Frühjahr zu feucht, um auf den Feldern das Unkraut regulieren zu können”, erinnert er sich. „Das Unkraut hat gewonnen. Das war natürlich bitter. Aber wichtiger ist mir, dass es auf den Feldern meiner Vertragsbauern gut aussieht.”

Dass sich deren Anbaugebiet vom nördlichen Weinviertel bis weit hinunter ins Burgenland erstreckt, reduziert auch das Risiko – und garantiert, dass genügend Ware für Gastronomie, Läden und die ÖsterReis-Abosäcke verfügbar ist. Manchmal, sagt der Biobauer, stehe er mit seinem Vater am Feld. „Dann sagen wir uns: Eigentlich wissen wir nix. Denn die Zyklen zum Lernen sind in der Landwirtschaft sehr lange”, meint Neumeyer demütig. Auch wenn er selbst sich in seiner neunten Anbausaison immer noch am Anfang wähnt, ist sein Know-how bereits gefragt. Denn weltweit betrachtet ist der Nassreisanbau gleich nach der Rinderhaltung der zweitgrößte Methanemittent. Reis aus gefluteten Reisfeldern heizt also den Klimawandel an. Da Trockenreisanbau zwischen 80 und 90 Prozent weniger CO2-Äquivalente verursacht, schauen in Gerasdorf bei Wien mittlerweile immer wieder asiatische Forscher:innen und Produzent:innen vorbei, um sich Anregungen zu holen, wie die Reisproduktion zumindest mit weniger Wasser – und damit weniger Methanausstoß – funktionieren könnte.


Bild: Thomas Weber

In Österreich interessieren sich derweil besonders die Produzent:innen von Babynahrung für den Bioreis aus dem Marchfeld. Denn der ÖsterReis ist komplett arsenfrei. Während die Pflanzen im Nassanbau das Gift sowohl über den Boden als auch über das Wasser aufnehmen (weshalb herkömmlicher Reis vor dem Kochen gut und lang gewaschen werden muss), ist der Boden in den ÖsterReis-Anbaugebieten weitestgehend arsenfrei. Und damit der ÖsterReis auf den Verpackungen auch wirklich als arsenfrei ausgelobt werden kann, lässt Gregor Neumeyer jede Charge im Labor untersuchen.

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