Foto: Nina Mohimi
Wie sich ein Besuch im „The Jane“ in Antwerpen anfühlt
Kann man das Erlebnis eines Restaurantbesuchs passend vermitteln, ohne das Essen zu erwähnen? Hier ein Versuch anhand eines Aufenthalts im „The Jane“ in Antwerpen.
Bei Gastrokritiken, insbesondere im Bereich des Fine Dining, liegt der Fokus häufig auf einem zentralen Aspekt: dem Essen. Das ist verständlich, nachdem eben diese kulinarischen Kreationen oft als das Herzstück eines jeden Restaurants angesehen werden. Die Detailgenauigkeit, mit der Gerichte konzipiert und präsentiert werden, die Auswahl und Qualität der Zutaten, die Kreativität und Innovation in der Zubereitung – all das sind entscheidende Faktoren, die ein kulinarisches Erlebnis von gut zu außergewöhnlich heben (können).
Doch während das Essen zweifellos ein integraler Bestandteil jeder Gastrokritik ist, bildet es nicht das gesamte Spektrum dessen ab, was ein Restaurantbesuch zu bieten hat. Ein umfassendes Gastroerlebnis wird von vielen weiteren Elementen beeinflusst: von der Atmosphäre und dem Ambiente des Ortes, über die Qualität des Services, bis hin zur musikalischen Untermalung beziehungsweise der Gesamtkomposition des Raumes. Diese Aspekte zusammen schaffen ein sinnliches Gesamtbild, welches das kulinarische Erlebnis – im besten Fall – umrahmt und vervollständigt. Aber kann eine Restaurantbeschreibung auch komplett ohne die Erwähnung von Essen auskommen und trotzdem ein gutes Bild vom Erlebnis abgeben?
Es ist eine Herausforderung über das kürzlich besuchte „The Jane“ in Antwerpen zu schreiben, ohne auf das Essen einzugehen, denn es gäbe durchaus viel (gutes) darüber zu sagen, aber das haben schon viele andere getan. Als Nummer 39 auf der 50 Best List und mit zwei Michelin Sternen ausgezeichnet, sucht man nicht lange nach Artikeln, die die Küche von Chef Nick Brill und seinem Team ausführlich beschreiben.
The Jane befindet sich in einer ehemaligen Militärkapelle, was sofort eine atemberaubende und einzigartige Atmosphäre schafft. Der erste Eindruck beim Betreten war eine Art Ehrfurcht, da das Interieur eine perfekte Balance zwischen sakraler Architektur und legerem Design schafft – eine doch eher sehr selten gelungene Kombination. An diesem Mund-bleibt-offen-Effekt erkennt man ziemlich sicher auch immer, wer zum ersten Mal im The Jane zu Besuch ist. Die sehr hohen Decken und personalisierten Buntglasfenster bieten ein Spiel aus Licht und Schatten, das sowohl tagsüber als auch abends eine dramatische und doch einladende Umgebung schafft. Man kann sich leicht verlieren im Entdecken der vielen einzelnen Motive, die in die Fenster eingebaut wurden.
Foto: Nina Mohimi
Auch die Akustik ist erstaunlich angenehm mit leichter musikalischer Untermalung, die nicht aufdringlich ist, aber zum Tagträumen einlädt. Die Aufmerksamkeit fürs Detail ist überhaupt ziemlich beeindruckend. Von der kunstvoll gestalteten Beleuchtung, die das Innere in ein warmes, einladendes Licht taucht, bis hin zu den sorgfältig ausgewählten Kunstwerken, die die Wände zieren, wirkt jedes Element sorgfältig überlegt und trägt zur Gesamtatmosphäre bei. Diese Elemente zusammen schaffen ein Ambiente, das gleichzeitig luxuriös und komfortabel ist.
Die Sitzmöbel, besonders die Sitzecken, sind so gemütlich, dass man in ihnen jegliches Zeitgefühl verliert. Wenn auch optisch ganz anders gestaltet, vermitteln sie etwa das Gefühl aus der Kindheit, wenn man am Küchentisch auf den Eckbänken von Oma Platz genommen hat – umsorgt und entspannt. Vielleicht war das sogar beabsichtigt, denn Gemütlichkeit hat einen sehr hohen Stellenwert, wie uns Nick Brill erklärt, als er uns beim Tisch besucht. Er wollte einen Ort schaffen, an dem man sich entspannen kann und das Tempo des Besuchs nicht von der Küche diktiert wird. Er erzählt tatsächlich mehr über die Wichtigkeit der Gemütlichkeit, als übers Essen – eine sehr angenehme Abwechslung.
Wie sehr sich alle im The Jane auf unser individuelles Wohlbefinden und Tempo einstellen werden, erklärt uns dann auch unsere Servicebetreuung: „Ihr könnt gerne jederzeit aufstehen und einen Rundgang machen oder eurer Getränk mit raus nehmen an die frische Luft.” Entspannt, aber professionell. Wenn man aufsteht, wird diskret die Küche informiert, damit man nicht zu kalten Tellern zurückkommt. Keiner wirkt gestresst, im Gegenteil, man plaudert immer wieder und erzählt uns dabei die eine oder andere Geschichte zum Haus.
Es ist recht bemerkenswert, wie die Mischung aus Professionalität und Freundlichkeit ausbalanciert ist. Das Team scheint nicht nur gut ausgebildet, sondern auch sehr daran interessiert zu sein, dass jeder Besuch unvergesslich wird.
Eine grandiose, bis auf den Aperitif, selbstgemachte anti-alkoholische Getränkebegleitung wird vom „Virgin Sommelier“ Bram Klinge zu jedem Gang eingestellt. Es war schwer festzustellen, wer sich mehr auf die Präsentation der jeweiligen Getränkekreation freut, Gästin oder Sommelier. Schon schön, wenn man diese ansteckende Leidenschaft merkt. Sommelier Noris Conrad, der für die Weine der Tischbegleitung verantwortlich war, hat übrigens zu keinem Zeitpunkt das Gefühl vermittelt, dass der Tisch deshalb für ihn weniger interessant ist – eine Tatsache, die man leider noch immer viel zu oft in den besten Fine Dining Restaurants in Österreich erlebt. Umso mehr ist es schätzenswert, wenn hier Professionalität über persönlichen Interessen steht. Das erkennt man auch sehr schön an der Weinkarte, die keine ist, sondern ein richtig umfassendes Buch mit eigenwilligen, aber durchaus nachvollziehbaren Kategoriebeschreibungen („The Ultimate Hipster Section“).
Foto: Nina Mohimi
Überhaupt war es auch sonst ein sehr inklusives Gefühl im The Jane – es war zu keinem Zeitpunkt bemerkbar, wer heimischer Stammgast oder Tourist ist.
Die Mischung der Gäst:innen war entspannend, weil angenehm divers – es gab die klassischen Businessmen, die not-the-first-date Paare, ein paar Einzelpersonen, die merklich in ihrer Ruhe am Tisch glücklich waren, aber auch junge studentisch wirkende Gäst:innen. Eine Großfamilie, die direkt vor der hinter Glas offenen Küche platziert wurde – möglicherweise, damit sich ihre Lautstärke nicht im ganzen Lokal verteilt. Nichts wirkt zufällig im The Jane, aber nie auf Kosten der Entspanntheit.
Das erklärt auch, warum wir von 12:30 bis 17:30 dort geblieben sind und kein einziges Mal auf die Uhr geschaut haben. Zeit verliert an Bedeutung, wenn man seinen hedonistischen Bedürfnissen nachgeben darf und dabei so achtsam und behutsam betreut wird. Und da kommt dann wieder die Erkenntnis, wie großartig die Details im The Jane gestaltet sind, denn von der inzwischen aufkommenden Dunkelheit draußen merkt man gar nichts, weil das Licht drinnen Tageslicht vermuten lässt.
Wir waren übrigens nicht der einzige Tisch, der so lange geblieben ist. Timeslots spielen hier (mittags zumindest) keine Rolle. Genauso wenig, dass sich das Team inzwischen schon für den Abendservice vorbereitet hat. Achtsam genug, um nicht stark aufzufallen, selbstsicher genug, um es nicht zu verstecken. Gemütlichkeit wird von so vielen feinen Details bestimmt.
Abschließend sei gesagt, The Jane nicht nur ein Ort für außergewöhnliche kulinarische Erlebnisse, sondern eben eine Gesamterfahrung, die durch sein einzigartiges Ambiente, akribische Detailgenauigkeit, exzellenten Service und eine Atmosphäre, die sowohl ehrwürdig als auch einladend ist, besticht.
Ein Besuch ist jedenfalls auf allen Ebenen empfehlenswert.