Gastronomie

Streifzüge 1 – „Das Tho“ in der Leopoldstadt 

von Johannes Schartner



Foto: Matthias Balgavý

Lieber Paul, du hast bereits für Joseph Brot gearbeitet und bist nach wie vor auch am Lokal Brösl beteiligt. Wie und wann kam es zum Wunsch, deine eigene Bäckerei aufzumachen?
Bei mir hat sich das langsam angeschlichen. Ich backe seit vielen, vielen Jahren selber Brot. Mein Sauerteig ist mittlerweile fast neun Jahre alt. Ich habe viel ausprobiert und extrem viel gebacken, und in den letzten zwei Jahren hat sich der Gedanke einfach immer mehr und mehr verstärkt dass Brot wirklich mein Ding ist und ich etwas eigenes aufmachen möchte.. Im Brösl hatte ich schon die Möglichkeit, mit Freunden gemeinsam etwas Cooles zu machen und jetzt im Tho war das wirklich von Beginn an volle Leidenschaft für das Brot. Selbst zu backen und daraus ein Geschäft zu machen, hat mir noch gefehlt.

Die Bäckerei ist gemütlich, neu und modern eingerichtet. Was hebt dich sonst von anderen Bäckereien ab? Was hat es mit deinen Öffnungszeiten auf sich? Soweit ich weiss, bist du der einzige Bäcker, der erst um 14:00 Uhr aufsperrt.
Mit dieser, zugegeben schwierigen, Frage habe ich schon gerechnet. Natürlich könnte ich jetzt das Blaue vom Himmel erzählen  was ich nicht alles so super toll mache. Es sind viele Kleinigkeiten, die da zusammenkommen, weil ich grundsätzlich überzeugt bin, dass jeder oder jede, die sich mit Brot und Sauerteig beschäftigt, einen anderen Zugang zum Thema hat. Manche machen es mehr nach Gefühl, manche messen wiederum genauer. Die Kulturen sind immer ein bisschen anders, schmecken demnach anders, bringen andere Brote aus dem Ofen und von dem her glaube ich, dass das schon mal grundsätzlich immer Unterschiede mitbringt.



Foto: Matthias Balgavý


Die Öffnungszeiten sind bei mir ein bisschen unkonventionell. Es gibt schon Ideen, zukünftig auch mal ein bisschen früher aufzusperren. Die Idee, auch nach einem Tag im Büro noch ein frisches Brot zu bekommen, sich gemütlich im Ambiente von einem Handwerksbetrieb hinsetzen zu können, ist ein starker Teil des Konzepts. Wenn du in meine Backstube schaust, kannst du mir theoretisch am Nachmittag beim Arbeiten Zuschauen und hast so einen direkten Bezug– und dann schmeckt das Brot wahrscheinlich noch besser. Abschließend ist es auch ein Thema der Persönlichkeit. Es gibt so viele coole Leute, die etwas aufmachen oder schon aufgemacht haben und da steckt immer jemand dahinter. Du gehst ganz bewusst zu einem Laden, meistens mit einem bestimmten Vorsatz. Zum Beispiel: „Am Samstag hole ich mir das geilste Croissant in Wien“. Andere kaufen wiederum gerne woanders Brot einer Sorte, die ich nicht backe. Das finde ich spannend! Die vielen persönlichen Unterschiede im Sortiment. Und dieser gewohnte Standard,  um ein Uhr nachts aufzustehen, um zu backen, das kann 2024 auch schon anders laufen. Man kann auch beim Bäcker ein Gläschen Wein trinken, einen schönen Plausch haben und Spaß haben.

Du bist ja in der Steiermark aufgewachsen. Hast du da Erinnerungen an Bäckereien? Und gibt es eine Kindheitserinnerung, die du in deine eigene Backstube mitgenommen hast?
Meine Kindheit hat nicht viele Sachen bei der Produktentwicklung beeinflusst, ich habe aber beispielsweise das Reingerl im Angebot. Das klassische Honig-Reingerl ist für mich etwas, was es schon in meiner Kindheit gegeben hat. Das ist typisch für die Steiermark, und das wollte ich schon auch mitnehmen. Es war mir wichtig, ein bisschen meinen Ursprung im Gebäck widerzuspiegeln. 
Ansonsten ist es bei den Broten ein bisschen anders, weil es das Brot, so wie wir es heute essen, in meiner Kindheit nicht gegeben hat. Da hat es Schwarzbrot gegeben, das war meistens Mischbrot. Ab und zu mal ein kräftiges Roggenbrot und das war’s eigentlich schon. Und dann hast du Gebäck gegessen, wie zum Beispiel Kipferl. Die  habe ich immer schon geliebt, deswegen habe ich wahrscheinlich auch eines tätowiert. Kipferl kommen vielleicht sogar noch ins Sortiment!



Foto: Matthias Balgavý

Hast du einen Tipp vom Profi zum Home-Baker? 
Ich glaube, das Gute ist, dass wahrscheinlich jeder und jede, die das jetzt vielleicht liest, schon mal zumindest versucht hat, Brot oder etwas anderes zu backen  Viele wissen ungefähr, wie viel Arbeit es sein kann, wenn man das auf gewisse Art und Weise macht. 
Was beim Start hilft: Nimm dir ein Rezept, das idealerweise möglichst einfach ist und mach es einfach immer und immer wieder, bis es genau so ist, wie du es dir vorstellst. Ohne nach rechts und links zu schauen, probiere einfach aus wie du mit Temperaturen und Sauerteigmengen umgehen musst. Aber alles auf einem Basislevel. Und wenn du das geschafft hast, dann bist du schon sehr, sehr weit! Denn dann hast du die Basics verstanden und dann kannst du alles weitere ausprobieren. Und Frust ist auch okay! Wenn etwas nicht funktioniert, dann schmeißt ruhig mal irgendwas in die Ecke. Man muss lernen, mit Fehlern umzugehen. Das ist sehr wichtig beim Backen.

Warum heißt dein Baguette eigentlich „Willi“? 
Willi ist ein Freund aus der Jugend und hat das Projekt von Beginn weg unterstützt. Ich habe eine Crowdfunding Kampagne gemacht und Willi  hat einen großzügigen Beitrag geleistet. Die Gegenleistung dafür war, ein Produkt nach ihm zu benennen. Und seitdem ist Willi fix als Baguette auf  der Karte verankert. und ist mein Baguette.

Ich kann nur sagen den Willi, den „will i“. Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Am liebsten wäre es mir, den Betrieb langsam weiterzuentwickeln. Kleine Backstube, kleines Sortiment, reges Treiben. Ein Ort, der zu einem Treffpunkt wird. Wir sind in einem spannenden Grätzl und ich konnte schon viele Leute, die hier wohnen, kennenlernen. Ich bin überzeugt, dass das etwas ist, wonach viele suchen –  Das Persönliche. Wenn die Leute sagen „Hey, gehen wir ins Tho auf einen guten Wein oder super Brot!” bin ich eigentlich mehr als happy. 



Foto: Matthias Balgavý

Du bekommst mit der „Taquería la Ventana“ wundervolle zukünftige Nachbarn. Wird es irgendwann ein Brot mit Mais geben? 
Die Gespräche dazu gibt es auf jeden Fall. Eventuell werde ich für die Taqueria kleine Brötchen machen, die drüben gefüllt werden. Ob auch mit Mais, kann ich aktuell noch nicht sagen. 

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