Gesellschaft

Vom schlechten Geschmack

von Hanna Stummer


Foto: Dall-E

Oliven, Gorgonzola, Brokkoli, Koriander, Jägermeister – die Liste von Lebensmitteln, bei deren geschmacklicher Einordnung sich die Geister scheiden, ist lang. Doch warum polarisieren manche Geschmäcker, beziehungsweise Geschmacksrichtungen derartig?

Learning by chewing

Beginnen wir am Anfang. In die Wiege gelegt wird uns die Präferenz eigentlich nur für süß und fettig – beides Komponenten, die mit Muttermilch bedient werden und die zum Überleben wichtig sind. Auch zum Überleben wichtig ist das Erkennen von sauer und bitter. Dabei handelt es sich um Geschmäcker, die instinktiv mit Verdorbenem und Giftigem assoziiert werden, dementsprechend müssen wir uns eine Vorliebe dafür erst antrainieren. Antrainieren ist dabei wortwörtlich gemeint – neue Geschmäcker werden oft erst nach mehreren Wiederholungen akzeptiert. Das trifft nicht nur bei Kleinkindern zu, auch als Erwachsener ist es möglich, den Eindruck eines Geschmacks durch mehrfache Repetition zu verbessern, wichtig ist sowohl im Kindes- als auch Erwachsenenalter ein positives sonstiges Umfeld. Dabei handelt es sich um ganz klassische Konditionierung.

Gentechnik

Dennoch gibt es für manche Menschen einfach gewisse Lebensmittel, die sie nicht abkönnen. Warum, ist nicht vollständig klar. Lange ging man davon aus, dass unsere Erziehung maßgeblich dafür verantwortlich sei, was uns schmeckt und was nicht. Manche Studien suggerieren jedoch inzwischen auch, dass gewisse Präferenzen bereits durch die Ernährung unserer Mutter in der Schwangerschaft vorbereitet werden. Andere Forschung fand Verbindungen zu bestimmten Genen und legte nahe, dass auch unsere geographische Herkunft einen Einfluss auf geschmackliche Vorlieben haben kann. 

Sauce-Béarnaise-Syndrom

Die oben beschriebene Konditionierung funktioniert bei Geschmack natürlich auch in die andere Richtung. Bekannt ist eine konditionierte Geschmacksaversion in der Psychologie als Sauce-Béarnaise-Effekt – benannt von dem Psychologen Martin Seligman, der sich selbst bei einer Krankheit nach dem Verzehr eines Steaks mit Sauce Béarnaise übergeben musste und so einen dauerhaften Ekel vor der Sauce entwickelte, obwohl sie selbst kein Grund für das Erbrechen war. Viele kennen solche gelernten Geschmacksaversionen von Lebensmittel, die sie mit Krankheit oder Übelkeit assoziieren – bekannte Beispiele dafür sind Kamillentee (oder auch Tequila).

Seifenoper

Nicht erlernt, sondern wohl tatsächlich genetisch bedingt, ist die Abneigung mancher Menschen gegen Koriander. Forscher:innen entdeckten, dass eine von zwei genetischen Varianten für den Geruchsrezeptor „OR6AS“ bestimmt, ob man Koriander als seifig empfindet oder nicht. Damit, dass im Gehirn der Eindruck entsteht, man äße Seife, ist möglicherweise auch die extreme Abneigung dieser Personen gegen das Kraut erklärbar – es könnte sich dabei um eine Abwehrreaktion von etwas handeln, das als giftig empfunden wird.

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