New Work

New Work in ländlicher Idylle?

von Nina Mohimi
Foto: Connie Klimt

Von ständigem Wandel geprägt, wird sowohl von Arbeitsplätzen als auch Arbeitsweisen verlangt, flexibler zu sein. Die Konzepte rund um „New Work“ haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und verändern die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen an Bord holen, führen und inspirieren. Jedoch fällt auf, dass der Begriff „New Work“ hauptsächlich mit modernen, urbanen Bürojobs in Verbindung gebracht wird, während Lösungen für die Anwendung in Branchen wie dem ländlichen Gastgewerbe oft fehlen.
Einige Vorreiter:innen in der Branche zeigen aber schon länger, wie „New Work“ für die speziellen Anforderungen des Gastgewerbes umgesetzt werden kann.
Ein exemplarisches Vorbild ist Peter Fetz, dessen Führungsstil im Hotel Gasthof Hirschen im vorarlbergerischen Schwarzenberg verdeutlicht, dass „New Work“ mehr bedeuten kann als nur eine 30-Stunden-Woche oder Remote-Working.
Peter Fetz ist in seiner Heimat, dem Bregenzerwald in Vorarlberg, tief verwurzelt. Nach seinem Tourismusmanagement-Studium in Wien zog es ihn in internationale Metropolen wie Paris und London. Die Berge seiner Heimat und seine Verbundenheit zur Natur lockten ihn zurück. Im Jahr 2017 übernahm er die Leitung des Hotel Hirschen in Schwarzenberg von seinem Vater und führt das traditionsreiche Haus (gemeinsam mit seiner Schwester Pia Fetz) nun bereits in der zehnten Generation.
Peter Fetz ist bestrebt, neue Wege in seinem Führungsstil zu etablieren. Mit einem unersättlichen Verlangen nach Innovation und Fortschritt hat er schon viele Ansätze ausprobiert, um den Hirschen weiterzuentwickeln. Dabei verliert er jedoch nie das Wohl seines Teams aus den Augen. Seine Führung setzt auf Empathie und eine offene Kommunikation, die es ihm ermöglicht, die Talente jeder einzelnen Person zu erkennen und zu fördern.
Ein Blick auf das Team des Hirschen zeigt schnell: Das ist keine gewöhnliche Gruppe, sondern eine eng miteinander verbundene Community von Mitarbeiter:innen, die einander mit außergewöhnlich entspannter Wertschätzung begegnen. Sie erinnert in gewisser Weise an einen Tribe, einen Stamm, in dem Menschen mit gemeinsamen Werten und einer ausgeprägten Neugier auf die Zukunft zusammenkommen, um gemeinsam ihren Beitrag zu leisten – um heute besser zu sein als gestern.
Die Schaffung einer solchen Kultur erfordert erhebliche Arbeit und ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der individuellen Personen.
Als Hotelier mit einer klaren Vision und einem Blick für das Wesentliche teilt Peter Fetz seine Gedanken zu einer Vielzahl von Aspekten, die sein Hotel zu einem einzigartigen Arbeits- und Gäst:innenerlebnis machen, und auch darüber, was sich davon in seiner Karenzzeit ändern könnte.

Peter, wie hast du selbst während deiner Ausbildung Führung erlebt?

In der Vergangenheit war es oft frustrierend zu beobachten, wie die Führungspositionen innerhalb einer Gruppe oft aus strukturellen Gründen und nicht aufgrund der eigentlichen Befähigung besetzt wurden. Diese Umstände haben mich wiederholt gestört. Ich habe mich oft gefragt, warum ich eigentlich für diese Person arbeite.
Später im Verlauf meiner Karriere hatte ich das Privileg, auch begabte Führungspersönlichkeiten zu erleben. Das zeigte mir dann, wie stark eine solche inspirierende Führungskraft die Akzeptanz der eigenen Position und Rolle innerhalb des Teams beeinflussen kann. Es wurde deutlich, wie sehr eine authentische und kompetente Führungspersönlichkeit dazu beiträgt, dass ein Team motivierter und produktiver arbeitet.

Was wolltest du selbst in Bezug auf Mitarbeiter:innenführung anders machen?

Mit der Zeit habe ich folgende Erkenntnis gewonnen: Mein Können und meine Motivation finden nicht unbedingt in repetitiven Aufgaben ihre Bestimmung, sondern vielmehr im Ausbau von Strukturen und Ideen. Diese Einsicht hat mir geholfen, meinen Führungsstil zu entwickeln.
Ich hatte schon recht früh den Wunsch, Hotelier zu werden, doch die Arbeit bereitete mir anfangs wenig Freude. Vieles von dem, was ich tun musste, erschien mir sinnlos und unverständlich.
Das war noch die Zeit, in der es keinen Mitarbeiter:innenmangel gab. Die Ära der molekularen Küche hatte Österreich erreicht, während sie anderswo auf der Welt bereits wieder vorbei war – eine Art „dunkles Zeitalter“ der Branche. Ingwer-Lemongrass-Suppe und Garnelenspieße prägten die Speisekarten. Die Idee der Regionalität war noch nicht angekommen.
Ich wusste, dass ich das alles anders machen wollte, vom Führungsstil bis zum inhaltlichen Konzept, aber damals war meine Vorstellung noch nicht so klar ausgearbeitet, wie sie es heute ist. Das Verlangen nach Veränderung war mehr theoretisch.

Was verstehst du unter dem Begriff „New Work“?

Mich interessiert sehr, was sich in diesem Bereich tut. Ich warte aber immer darauf, dass jemand die Möglichkeiten für die Servicebranche konkretisiert. Zum Beispiel die Idee einer 30-Stunden-Woche – bisher hat mir noch niemand erklären können, wie man so etwas in einem Hotelbetrieb umsetzen kann. Genauso verhält es sich mit dem Konzept des Remote-Arbeitens. Während ich mir das für Bürojobs ganz gut vorstellen kann, frage ich mich, wie das in der Gastronomie funktionieren soll. Ich denke dabei sowohl aus der Perspektive eines Geschäftsführers als auch gesellschaftlich.
Es ist wichtig, dass wir bei der Diskussion über „New Work“ nicht den Fehler machen, nur auf Bürojobs zu fokussieren und sie damit im Vergleich zu Servicejobs aufzuwerten. Denn wohin würde das führen, es gibt ja jetzt schon genug Schwierigkeiten, den Nachwuchs zu motivieren. Bei der Debatte sollten nicht immer nur Stunden und Mindestlohn im Vordergrund stehen. Es sollte nicht als verwerflich angesehen werden, wenn jemand bereit ist – natürlich ohne Ausbeutung seitens der Arbeitgeber:innen – in seinen Job auch Freude, Zeit und Engagement zu investieren. Denn genau diese Freude und der Einsatz tragen zur individuellen Kultur bei. Das erschafft die einzigartige Identität eines Unternehmens.
Das wird auch zunehmend wichtig sein, um Österreich als starken Wirtschaftsstandort zu etablieren. Das Einzigartige, nicht Austauschbare, ist der Grund, warum Menschen bei uns arbeiten möchten.
Zwei Dinge sind hier meiner Meinung nach heute entscheidend: Erstens, man muss als Führungskraft gemachte Versprechen einhalten, egal welcher Art – darauf sollen sich unsere Mitarbeiter:innen immer verlassen können. Und zweitens, junge Menschen sind hungrig nach Wissen und Erfahrung, Stillstand interessiert sie nicht. Diese Rahmenbedingungen muss ich ihnen schaffen.


Foto: Florence Stoiber

Denkst du, dass es in ländlichen Regionen herausfordernder ist, Mitarbeiter:innen zu motivieren und langfristig zu halten? Wie unterstützt du jene, die aus städtischen Gebieten zu euch kommen und sich an das Leben und Arbeiten auf dem Land anpassen müssen?

In ländlichen Gegenden ist es zweifellos komplexer. Für Quereinsteiger:innen haben wir eine einwöchige Probezeit eingeführt, um sicherzustellen, dass sie den Job und seine Anforderungen verstehen und auch die Umgebung, den Ort, kennenlernen können. Fast alle Mitarbeiter:innen wohnen in unseren eigenen Unterkünften, wodurch dann auch vielfältige Möglichkeiten für den sozialen Austausch entstehen.
Obwohl es kein formelles Programm gibt, basiert vieles auf der Initiative der Mitarbeiter:innen selbst. Sie formen eine Art Gemeinschaft, vergleichbar mit Expats, die sich austauschen, unterstützen und damit auch eine starke Verbundenheit entwickeln.
Im Hirschen gibt es die Struktur einer breiten Führungsebene mit vielen Lehrlingen. Dieses Modell ermöglicht ein sehr gutes Mentoring-System. Wir legen großen Wert auf eine Kultur des Ausprobierens, die von jedem im Team gefördert und gefordert wird.
Arbeit im Hirschen soll auch den internationalen Standards in Bezug auf Innovation gerecht werden. Dieser Aspekt liegt mir besonders am Herzen. Auf diese Weise versuchen wir sicherzustellen, dass Personen, die Teile ihrer Ausbildung bei uns absolvieren, keinesfalls das Gefühl haben, etwas zu verpassen, nur weil sie nicht in einem der international etablierten großen Häuser arbeiten.

Wie gehst du mit Feedback von deinem Team um, habt ihr regelmäßige Formate zum Austausch?

Anfangs hatten wir, wie es halt so üblich ist, jährliche Gespräche und ähnlich starre Ansätze. Doch unser Team besteht nur aus 40 Personen – wir sind sowieso in ständigem Austausch miteinander. Wir bemerken recht rasch, wenn etwas im Gange ist, und reagieren auch gleich darauf. Kommunikation und Feedback sind unser Alltag.
Wir setzen auch gerne auf Jobrotation und ähnliche Maßnahmen, um unsere Flexibilität zu bewahren und ein gegenseitiges Gefühl für die jeweils unterschiedlichen Arbeitsfelder zu bekommen. Das hilft im gegenseitigen Verständnis und der Wertschätzung für die Tätigkeiten der Kolleg:innen.

Welche Bedeutung hat Diversität in ländlichen Gegenden wie Schwarzenberg? Ist es eine wichtige Thematik, oder birgt sie Schwierigkeiten?

(Lacht) Im Kontext von Diversität in Schwarzenberg könnte man wahrscheinlich schon jemanden aus Dornbirn als divers bezeichnen. Der deutsche Stammgast hätte vielleicht am liebsten 40 einheimische Mitarbeiter:innen, aber so eine einseitige Zusammensetzung wäre sicherlich nicht förderlich für den Hirschen. Wir haben immer wieder internationale Mitarbeiter:innen, die für ein oder zwei Jahre kommen und frische Impulse mitbringen – und das ist wichtig für uns alle im Haus.
Die Grundlage für eine diverse Kultur ist bei uns definitiv vorhanden und erwünscht, es ist nur nicht immer leicht, diese Mitarbeiter:innen zu finden, denn eine ländliche Umgebung stellt für viele Personen mit einem diversen Hintergrund eine zusätzliche Herausforderung dar.

Wie gestaltest du eine Unternehmenskultur, die sowohl Innovation und Kreativität fördert als auch klare Ziele erreicht?

Eine grundlegende Voraussetzung hierfür ist die langfristige Perspektive für unser Unternehmen. Ich plane nicht, den Betrieb irgendwann teuer zu verkaufen, sondern dass er dauerhaft und nachhaltig rentabel ist. Mit diesem Blickwinkel bewerten wir bestimmte Ziele großzügiger, da wir nicht quartalsweise arbeiten und wirtschaften müssen, um starre Zahlen zu erreichen. Förderung von Innovation geht Hand in Hand mit einer gewissen Fehlerkultur.
Wir wissen, dass Fehler unvermeidlich sind, wenn man viel ausprobieren möchte. Das wollen wir uns auch leisten. Denn das ist Teil der internen Kultur, dass ich das meinen Mitarbeiter:innen ermögliche. Eine strategische Herangehensweise für mich ist: Wenn wir talentierte Menschen haben wollen, müssen wir sie ihre Fähigkeiten entfalten lassen. Unsere Ausrichtung ist nicht für Menschen, die immer nur das Gleiche erwarten.

Was macht für dich euer Team einzigartig?

Eine außerordentlich positive Einstellung ist schon sehr charakteristisch für unser Team. Mitunter auch, weil wir uns privat verstehen, weil wir hier auf dem Land noch stärker voneinander „abhängig“ sind als in einer Stadt. Es besteht eine natürliche Neigung zum gegenseitigen Unterstützen und Fördern.
Wir alle sind außerdem sehr neugierig und offen für neue Dinge. Wenn Lucía aus Mexico zwei Jahre bei uns ist, dann gibt es mal Tacos auf der Karte. Wenn jemand aus Italien bei uns ist, dann gibts neue Pastakombinationen. Der Hirschen ist ein lebendiger Organismus. Es gibt Leitplanken, wie unser Hotelkonzept, aber wir bleiben immer flexibel und anpassungsfähig. Dadurch halten wir die Dinge frisch und spannend, Langeweile kommt nie auf.

Foto: Florence Stoiber

Wie stark beeinflussen die Hotelbesucher:innen eure Arbeitsdynamik? Hast du aktive Strategien, um das Erlebnis für ein jüngeres Publikum ansprechender zu gestalten und dadurch auch den Mitarbeitenden mehr Freude zu bereiten?

Die Zusammensetzung unserer Gästeschaft spielt eine bedeutende Rolle in unserem Arbeitsumfeld. Es gibt eine gewisse Balance, die wir anstreben, um sicherzustellen, dass sowohl die Mitarbeitenden als auch die Gäste eine angenehme Atmosphäre erleben.
Es ist wichtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir unser Angebot ansprechend gestalten können, um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. Es erfordert Kreativität und eine gezielte Ansprache.
Natürlich ist es entscheidend, dass eine bestimmte Gruppe von Gästen nicht unsere gesamte Atmosphäre dominiert. Nehmen wir ein extremes Beispiel: Wir müssen sicherstellen, dass wir uns nicht von den Ansprüchen mancher Gäste überwältigen lassen, die womöglich nach einer sehr exklusiven und luxuriösen Erfahrung suchen. Deshalb gehen wir bewusst einen anderen Weg, um nicht in die Bling-bling-Welt abzudriften. Ja, finanziell mag das zwar verlockend sein, aber es würde weder unseren Mitarbeiter:innen noch mir Freude bereiten. Das spiegelt sich auch in unserem Corporate Design wider. Wir verwenden absichtlich keine Begriffe wie „exklusiv“ oder „luxuriös“, um sicherzustellen, dass wir Gäste anziehen, die unsere Vision für den Hirschen teilen. Dadurch können wir unangenehme Situationen vermeiden, die ich selbst während meiner Zeit in der Gastronomie erlebt habe. Und das Ergebnis ist eine positive und erfüllende Atmosphäre für uns alle.

Wie gehst du persönlich mit „New Work“ bzw. „Work-Life-Balance“ um? Wie wird das sein, wenn du dann in Karenz bist?

Als jemand, der das Hotel übernommen hat, war mir von Anfang an bewusst, dass ich einen Großteil meiner Zeit hier verbringen werde. Dennoch ist es mein Ziel sicherzustellen, dass der Hirschen als Institution im Vordergrund steht und nicht die „Peter-Fetz-Show“. Wenn das Hotel nicht ohne meine Anwesenheit an sieben Tagen die Woche funktionieren kann, dann läuft etwas schief. Ich möchte nicht zum zentralen Punkt werden.
Aber die Entscheidung für die Leitung vom Hirschen habe ich bewusst getroffen. Und das bleibt auch während der Karenz so – ich könnte mir aktuell nicht vorstellen, den ganzen Tag mit dem Kind nur zu Hause zu sein. Mein Kind und ich werden gemeinsam auch Zeit im Hotel verbringen. Das war bei mir schon so, und ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit im Hirschen. Außerdem habe ich ja auch Spaß daran, Zeit mit dem Team zu verbringen und mich aktiv in die Prozesse einzubringen.
Wie für alle internen Themen gilt – das ist bei mir nicht anders als bei anderen Mitarbeiter:innen: Es gibt keine starre Lösung, sondern individuelle Ansätze, je nach den individuellen Bedürfnissen und Lebensrealitäten der Menschen im Hirschen. Dank dieser Flexibilität können wir auch für alle Mitarbeiter:innen maßgeschneiderte Lösungen und Positionen schaffen, was ein klarer Vorteil bei uns ist.

hotel-hirschen-bregenzerwald.at

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